Ex-AB Marcus packt aus

Vor einem Jahr war Marcus (37) noch ein Absolute Beginner. Doch dann brachte ein Zeitungsbericht über den Film Love Alien und mein Buch Und wer küsst mich? einen Stein ins Rollen: Marcus ging zu Erotikcoach Monika Bücher und lernte seinen Körper kennen – und nicht nur den, sondern auch eine Frau. Was dann geschah, wie der erste Sex war, welche Tipps er für ABs hat und wie er sich heute fühlt, erzählt er euch hier im Interview:

Marcus, stell dich doch zunächst bitte vor!

Wie es bei vielen ABs der Fall ist, stehe ich mit beiden Beinen im normalen Leben mit sicherem Arbeitsplatz, abgeschlossener Ausbildung und Studium. Ich spiele seit vielen Jahren Fußball, bin auch gerade bei Literatur vielseitig interessiert – nur eine Frau hat im Leben bisher komplett gefehlt.

Aber woran hat es gelegen? Ich denke, die Suche nach Ursachen ist das interessanteste und komplexeste Thema an unserem Phänomen. Einerseits bin ich schon in einem eher prüden Elternhaus aufgewachsen: über Sex wurde nie und nimmer geredet; dass meine Eltern Zärtlichkeiten ausgetauscht hätten ist in meiner Erinnerung nicht zu finden. Wenn es beim gemeinsamen Fernsehgucken mal eine „unanständige“ Pointe – bspw. bei Didi Hallervorden- gab, reagierte mein Vater nicht mit Lachen, sondern mit eisigem Schweigen – so was hat man nicht lustig zu finden! Bei Ostseespaziergängen (als Kind) wurde der FKK-Strand tunlichst gemieden. Würde man meinen Eltern heute eine Freikarte für den Saunabereich schenken, würden sie das wohl allein aus moralischen Gründen ablehnen. Oder sie schwitzten mehr aus Scham denn aus 80 Grad Hitze.

Zudem betätigte sich auch meine 7 Jahre ältere Schwester als moralische Instanz: während sie sich die Freiheit nahm, sich mit ihrem Freund im Zimmer einzuschließen, verteufelte sie meine heimliche Freizeitlektüre: „Brauchst das nicht zu verstecken – ich weiß, dass du BRAVO liest!!!!!“ Somit wurde sie – leider – sehr erfolgreich zur hohen Hüterin von Sitte und Anstand. Und ich hatte irgendwie immer das Gefühl, Liebe steht mit etwas Unanständigem im Zusammenhang.

Auch in der Jugendzeit spürte ich, dass die Mädchen in meiner Klasse doch nichts mit uns Gleichaltrigen zu tun haben wollten; deren Freund war immer mindestens zwei Jahre älter und kam von einer anderen Schule. Somit bleibt der ein oder andere auf der Strecke und findet sich irgendwann als Mittdreißiger als AB wieder…

Aber du bist Ex-AB – wie hast du es geschafft, dich aus dem AB-Dasein zu befreien und was hast du dann erlebt?

Ich hatte mich so gut es ging in meinem Single-Dasein eingerichtet, als im November 2012 die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung einen Bericht über Wolfram Hukes Film „Love Alien“ brachte. Hier wurde auch Majas Buch erwähnt, was ich dann auch gleich gekauft und sehr schnell gelesen habe. Hinterher wurde mir klar: du musst etwas Grundsätzliches im Leben ändern. So hat es Maja auch im Interview bei Mona Lisa ausgedrückt.

Was ist da eigentlich zu tun? Ich habe mir verschiedene Flirt-Bücher gekauft (z.B. von Nina Deissler), als Programm auferlegt, Samstagabends öfter wegzugehen und eine Therapie bei der Sexualtherapeutin Monika Büchner in Frankfurt begonnen. Durch Majas Buch und auch in den Therapiestunden wurde mir vermittelt, dass es ein erster wertvoller Schritt sein kann, sich den ersten Sex bei Freudenmädchen zu kaufen. Auch wenn das in der Öffentlichkeit sehr verrufen ist, habe ich dies mehrmals gemacht.

Was dann passiert ist, stand aber auf keinem Zettel: Ich ging  mehrfach zu einer Frau aus Bulgarien, die noch nicht lange in Deutschland war, und bekam von ihr Annäherungsversuche. Ich war dadurch erst irritiert, denn ich dachte, Pretty Woman gibt es nur im Kino. Trotzdem ergriff ich die Gelegenheit beim Schopf, denn ich habe mich selbst gefragt: Jetzt wieder 100 Versuche bei Frauen und wieder 100mal gegen die Wand fahren? Nein, ich laß das jetzt geschehen. So begann ich eine Beziehung mit einer Prostituierten von Mitte Mai bis Anfang Dezember und war gezwungen, in jener Zeit ein Doppelleben zu führen. Schließlich durfte meine Familie und mein Umfeld nichts davon erfahren. Dies war mental sehr belastend, aber irgendwie auch ein Abenteuer. Da meine Freundin auch nicht allein wohnte, konnten wir uns fast nur an neutralen Orten treffen (Innenstadt, Café), zum gemeinsamen Sex nur ab und zu in einem Hotel. Aber zum Glück habe ich auch ein großes Auto…

Da wir im allgemeinen zu unterschiedliche Interessen haben, sind wir seit Anfang Dezember allerdings nicht mehr zusammen und ich bin wieder Single.

Alle ABs sind natürlich neugierig: Wie war der Sex? War es so schwierig wie man sich das vorher ausgemalt hat? Muss man Sex unbedingt erlebt haben? Gab es Pannen?

Ich hatte mir Sex immer so vorgestellt, dass man im siebten Himmel schwebt. Doch nachdem ich von meinem ersten Sex mit einer Prostituierten nach Hause gefahren bin, habe ich gedacht: „Also, ein Saunabesuch wäre entspannender gewesen. Und vor allem billiger…“ Ich war hinterher konsterniert, habe die Sache aber weiter betrieben und immer mehr Gefallen daran gefunden, besonders als es bei mir in eine Beziehung gemündet ist.

Probleme hatte ich anfangs in Situationen, als ich „oben“ und die Frau „unten“ war. Ich konnte den Höhepunkt nicht erreichen. Frau Büchner hat mir das so erklärt, dass man sozusagen nach zwei Jahrzehnten ausschließlicher Selbstbefriedigung auf dem Rücken den Körper erst langsam dahin bringen muss, dass er auch in anderer Position Spannung aufbauen kann. Dieses Problem habe ich aber relativ schnell in den Griff bekommen.

Grundsätzlich kann ich aber allen sagen: Sex wird in unserer Gesellschaft viel zu heiß gekocht. Ich hatte mit meiner Freundin auch Situationen, wo sie viel von mir verlangte, ich aber dann doch lieber für mich sein wollte. Doch Erfahrungen sollte man sammeln.

Welche Tipps kannst du anderen Betroffenen geben, wie es klappen kann, Ex-AB zu werden?

Dass ich eine Beziehung beginnen konnte, ist in meiner Situation großes Glück und ein Ausnahmefall gewesen: ein Freudenmädchen und ihr Gast verlieben sich ineinander. Darauf kann man nicht hinarbeiten. Dennoch sollte man sich zunächst mit der Situation befassen: Warum bin ich so wie ich bin? Ich habe durch die Lektüre von Majas Buch endlich begriffen, dass ich nicht allein bin mit der Situation und vor allem: dass es an sich nichts Unnormales ist. Wir sind keine Verrückten oder  Perversen, sondern Menschen mit einer Schwäche im Beginn von Beziehungen.

Zunächst muss man sich einer oder mehreren Personen anvertrauen und sich „outen“. Wenn man mit anderen Person über die Situation sprechen kann, fühlt man sich gleich freier und normaler. Achtet darauf, dass diese Personen sich möglichst nicht kennen! „Wenn mehr als drei Bekannte von einer vertraulichen Sache wissen, bleibt sie nicht mehr lange geheim“-ein Zitat des Politikers Jochen Riebel.

Sucht euch vor allem professionelle Hilfe (Psychologe, Sexualtherapeut). Meines Erachtens ist dies der wichtigste Punkt, um psychologische Knoten zu lösen. Fangt an, euch im Internet Profile anzulegen und Kontakte zu knüpfen – hier seid ich chancengleich mit anderen. Niemand sieht, dass ihr AB seid. Doch achtet auf die Seriosität der Website. www.singleboersen-vergleich.de ist eine gute Plattform, um Abzocker von Anfang an auszusortieren.

Mir hat am meisten geholfen, den ersten sexuellen Kontakt bei Freudenmädchen zu suchen. Nicht, weil daraus eine Beziehung entstand, sondern weil man so einfach am besten „den Fuß in die Tür bekommt“. Niemand muss ins Bordell gehen; im Internet sind viele wirklich normale Frauen, die rein privat Sexkontakte anbieten. Natürlich ist all dies zusammengenommen kein billiger Spaß, doch ich finde, besser jetzt etwas zu investieren, als mit 75 Jahren immer noch allein vor dem Ofen zu sitzen…

Vor allem: Belasst es nicht beim reinen Austausch wie auf den AB-Plattformen. Geht raus und lernt das Leben kennen. Um es als Fußballer zu sagen: wenn man nur den Ball in der Viererkette hin und her schiebt, kann man kein Spiel gewinnen.

Wie fühlst du dich jetzt, wie ist deine neue Sicht auf das Leben, nachdem dein AB-Dasein, aber auch deine erste Beziehung vorbei sind?

Mir ist bewusst geworden, dass man viel ändern kann, wenn man es will, wenn man sich helfen lässt und es auch angeht. Jener große Druck, den ich noch vor einem Jahr verspürt habe, ist weggefallen. Ich bin zwar wieder Single, aber da auch wirklich einer von vielen. Wenn ich im Schwimmbad oder Park knutschende Pärchen sehe, tut mir das nicht mehr weh, wie es früher der Fall war.

Dennoch will ich die Single-Situation wieder ändern und eine Partnerin finden oder mich wenigstens etwas ausprobieren. In den letzten drei Wochen hatte ich zwei Dates mit Frauen, die ich im Internet kennengelernt habe; gepasst hat es aber nicht, es war einfach nur nett. In diesem Feld muss ich jetzt auch erst mal anfangen zu lernen. Beginner sind wir immer und überall…