Vor ein paar Tagen habe ich euch über die neue Studie „Männliche Absolute Beginner – Ein kommunikationswissenschaftlicher Ansatz zur Erklärung von Partnerlosigkeit“ berichtet. Weil ich aber keine Wissenschaftlerin bin und die meisten von euch sicher auch nicht, habe ich mir von Autor Robin Sprenger nochmal etwas anschaulicher erklären lassen, welches Experiment mit männlichen ABs er genau gemacht hat, welche Erkenntnisse er dabei gewonnen hat und ob er sogar neue Wege aus der unfreiwilligen Partnerlosigkeit gefunden hat. Hier ist, was dabei herauskam (alles Weitere könnt ihr in seinem Buch nachlesen):
Können Sie kurz und knackig erklären, welche Ansätze es gibt, um andauernde Partnerlosigkeit zu erklären?
Ich wünschte, das könnte ich. Aber es gibt so viele Perspektiven auf dieses Problem und entsprechend viele Erklärungsansätze, dass ich es nicht in wenigen Sätzen zusammenfassen kann. In meiner Arbeit habe ich mich auf die Darstellung der wichtigsten Ansätze beschränkt und dafür etwa 45 Seiten benötigt. Wenn ich es jedoch zwingend in wenigen Sätzen erklären müsste, würde ich zwischen strukturellen und individuellen Ansätzen unterscheiden. Strukturelle Ansätze suchen die Gründe der Partnerlosigkeit in äußeren Bedingungen: Sind vielleicht nicht genügend Partner verfügbar? Bestehen nicht genügend Gelegenheiten, um potentielle Partner kennen zu lernen? Gibt es eine gesamtgesellschaftliche Werteentwicklung, die dazu führt, dass die Menschen keine (festen) Beziehungen mehr eingehen wollen? Individuelle Ansätze fokussieren hingegen die einzelne Person und fragen bspw. danach, ob bestimmte Sozialisationsbedingungen oder traumatische Erlebnisse der Grund dafür sein könnten, dass die Partnerlosigkeit andauert. Auch die kommunikativen Verhaltensweisen innerhalb der konkreten Anbahnungssituation spielen eine große Rolle: Spreche ich die Person an oder beschränke ich mich auf das Beobachten aus der Distanz? Wie gehe ich auf jemanden zu, was für eine Körperhaltung nehme ich ein, wie beginne und führe ich ein Gespräch, wie flirte ich?
Wie muss man sich Ihre empirische Studie genau vorstellen?
Ich habe insgesamt drei Probandengruppen rekrutiert: Absolute Beginner, Single-Männer und Männer in fester Partnerschaft. Diese Männer (insgesamt 45 Probanden) haben nacheinander, jeder für sich, eine gestellte Cafésituation (mit diversen Gästen, Bedienung, etc.) betreten. Sie wussten nicht, was auf sie zukommt, außer, dass sie an einem Experiment teilnehmen. Ihnen wurde zudem ein Umschlag an die Hand gegeben, den sie öffnen sollten, sobald sie das Café betreten hatten. In dem Umschlag war ein Zettel mit der Aufforderung: „Rechts von Ihnen sitzt eine junge Dame an einem Tisch. Versuchen Sie, sie für ein gemeinsames Abendessen zu gewinnen. Erwähnen Sie dabei nicht diesen Zettel.“ Daraufhin gingen die Probanden zum Tisch der jungen Frau und führten ihr Anbahnungsgespräch. Sie wussten jedoch nicht, dass dieses Gespräch von versteckten Videokameras und hochsensiblen Mikrofonen aufgezeichnet wurde. Darüber wurden sie erst nach dem Experiment aufgeklärt, bevor sie noch einen Fragebogen ausfüllen sollten. Die Videoaufnahmen wurden später einer Reihe von Frauen derselben Altersspanne zur Auswertung vorgelegt mit der Bitte, das Kommunikationsverhalten der Probanden zu beobachten und zu bewerten.
Was haben die erfahrenen Männer anders gemacht als die Absolute Beginners?
Die Beobachterinnen konnten zum Teil deutliche Unterschiede zwischen den Probandengruppen feststellen – obwohl sie nicht wussten, worauf die zentrale Fragestellung der Untersuchung abzielte oder welche Probandengruppen an dem Experiment beteiligt waren. Zunächst einmal verhalten sich Absolute Beginner in der experimentell nachgestellten Anbahnungssituation tendenziell schüchterner und ängstlicher als Single-Männer und Männer in fester Partnerschaft. Ihre Körperhaltung wirkt oft angespannt, zudem haben sie Schwierigkeiten, den Blickkontakt mit ihrer Gesprächspartnerin aufrecht zu halten und sich ihr gegenüber zu präsentieren. Aber auch bei der Gesprächsführung zeigt sich, dass es ihnen schwerfällt, die Konversation gemäß Zwecken und Zielen zu steuern, sie elegant in Richtung einer Einladung zum Abendessen zu lenken. Beziehungserfahrene Männer gehen mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein in die Situation – die Frau in ein Gespräch zu verwickeln und zu flirten fällt ihnen leicht. Aufgrund dieser kommunikativen Verhaltensweisen wirken sie wiederum auch viel attraktiver auf die Beobachterinnen als die unerfahrenen Probanden.
Können Sie aus Ihrer Studie Tipps für männliche Absolute Beginners ableiten, wie sie aus ihrer Situation herauskommen können?
Ursprünglich hatte ich mal geplant, ein solches Kapitel in die Arbeit einzubauen. Ich habe es wieder verworfen, weil ich es auch als anmaßend empfand, anderen Menschen zu sagen, was sie zu tun und zu lassen haben. Auch, weil bei einigen Absoluten Beginnern die Probleme offenbar so tief liegen, dass es mit gutem Zureden allein nicht getan sein wird. Aber vor dem Hintergrund meiner Ergebnisse würde ich sagen: Erfahrungen machen! Üben, üben, üben! Je mehr man die Interaktion mit potentiellen Partnern trainiert, desto besser wird man, desto schneller überwindet man Schüchternheit und Angst. Das ist eine zentrale Voraussetzung für ein erfolgreiches Anbahnungsgespräch. Natürlich wird man am Anfang erst einmal Körbe kassieren und peinliche Situationen erleben. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Inwiefern bringt Ihre Studie uns weiter auf dem Weg, dem Phänomen Absolute Beginners auf den Grund zu gehen und es zu lösen, und welche weiteren Forschungsschritte wären jetzt notwendig?
Die Studie zeigt, wie sehr das kommunikative Verhalten gegenüber potentiellen Partnern darüber entscheiden kann, ob Partnerlosigkeit zum Dauerzustand wird oder nicht.Wie wir uns präsentieren und wie wir mit unserem Gesprächspartner interagieren ist ein Faktor, dessen Bedeutsamkeit kaum überschätzt werden kann. Darüber hinaus bestätigen die Ergebnisse erneut, dass die Wurzeln des Problems schon in der Kindheit und Adoleszenz liegen. Doch nicht nur die sozialen Rahmenbedingungen sind ein Faktor – auch die Gelegenheiten zur Entwicklung kommunikativer Kompetenzen spielen offenbar eine große Rolle. Insbesondere die Männer in fester Partnerschaft haben als Kind viel gelesen, waren stark in Peergroups eingebunden, kommen aus Familien, in denen viel diskutiert und kaum etwas tabuisiert wurde. Sie hatten schon früh Verabredungen mit Mädchen und später auch kaum Probleme, eine Partnerin zu finden. Diese „Kommunikationsbiographien“ unterscheiden sich stark von denen der Absoluten Beginner. Es ist nur ein erster Versuch, den Lebenslauf der Probanden auf entscheidende Erfahrungen für den kommunikativen Kompetenzerwerb abzuklopfen. Doch ich bin überzeugt, dass es hier noch zahlreiche weitere Aspekte gibt, deren Bedeutung untersucht werden könnte.
Vielen Dank!
Was ist eigentlich an der Erkenntnis neu, dass Absolute Beginners wenig Übung haben (woher sollten sie die nehmen?) und sich deshalb kommunikativ nicht gerade geschickt gegenüber dem anderen Geschlecht präsentieren bzw. mit diesem interagieren? Ganz konkret: Klar ist einem Absolute Beginner bewußt, dass er Schwierigkeiten hat, das andere Geschlecht zum Abendessen einzuladen.
Ebenso ist die Erkenntnis sicher schon bekannt, dass Absolute Beginners oftmals schüchtern und ängstlich wirken und es schließlich eine große Bedeutung hat, wie wir uns dem anderen präsentieren. Nicht umsonst heißt es ja auch, der erste Eindruck zählt.
Auch die Aussage über den gestörten Blickkontakt kann nach eigener Erfahrung in einer Psychotherapie ebenso herausgearbeitet werden.
Viel interessanter wären doch die Fragen nach den tieferen (Hinter-)Gründen: Wieso ist denn beispielsweise der Blickkontakt gestört? Bei einem doch sonst selbst nach professioneller Psychotherapeuten-Einschätzung völlig normalen Menschen… Was konkret ist so ungeschickt am Verhalten eines Absolute Beginners bei der Einladung zum Abendessen? Woran liegt es? Und was würden andere besser machen?
Aus eigener Erfahrung habe ich eben nicht den Eindruck, dass sich mit viel Übung Besserung einstellt. Manche Verhaltensweisen, die andere intuitiv beherrschen, können sicherlich bis zu einem gewissen Grad erlernt werden, aber das reicht nicht aus.
Danke für deine Meinung Francesco! Möchtest du das Buch gewinnen, um herauszufinden, ob die Studie neue Erkenntnisse hervorgebracht hat oder nicht? Wenn ja, mail mir bitte deine Adresse an redaktion[at]maja-roedenbeck.de. Viele Absolute Beginners haben mir gesagt, dass es ihnen wichtig ist, dass die Dinge, die sie über sich selbst zwar schon wissen, in Studien dokumentiert sind, weil sie es dann nicht mehr als persönliches Versagen sehen, sondern den Beweis haben, dass es einfach eine Menschengruppe gibt, denen es geht wie ihnen. LG, Maja
@Francesco
Bitte bedenken, dass es sich hier um eine Dissertation handelt und nicht um einen Ratgeber. Es ist also durchaus legitim bzw. notwendig sich eine Nische auszusuchen und diese dafür umso genauer zu untersuchen. Wenn die Fragestellung also ist: „Kommunizieren ABs anders als Referenzgruppen?“ und die Versuchsdurchführung und Interpretation ist sauber durchgeführt, dann ist das mehr Wert als ein dahingeschludertes ausuferndes Manifest, das alles erklären will. Für eine Doktorarbeit mit einem Zeitrahmen von ca. 3 Jahren inklusive Literaturrecherche also absolut in Ordnung. Bitte auch bedenken: „Wir stehen auf den Schultern von Riesen“, jede Publikation trägt ihren Teil bei und wir können davon ausgehen, dass nachfolgende Arbeiten auf diese aufbauen werden/können. Das geht aber nur, wenn sie sich auf diese Ergebnisse auch verlassen können, Hörensagen, Allgemeinplätze und Vermutungen können schließlich nicht zitiert werden 😉
50 Euro sind viel Geld, doch wenn ein „Absolute Beginner“ seine Situation besser verstehen will, dann ist das sehr gut angelegtes Geld. Ich habe die Studie heute fertig gelesen. Ich kann Herrn Sprenger nur meinen Dank aussprechen für seine mühevolle und exzellente Arbeit, die mir zum Eigenverständnis sehr, sehr geholfen hat. Ich will jetzt hier keine Rezension niederschreiben, nur ein paar Eindrücke meinerseits.
Was ich immer geahnt hatte, habe ich jetzt wissenschaftlich bestätigt bekommen. Vergesst das Gerede von der Vereinzelung bzw. Vereinsamung des Menschen in der modernen Gesellschaft. Das Problem der allermeisten ABs – und hier beziehe ich mich auf die männliche Fraktion – hat keine strukturellen Ursachen. Es ist schlicht und ergreifend ein eklatanter Mangel an Männlichkeit. Ist sie nicht in ausreichenden Maß vorhanden, dann kann man seinen Einsatz auf dem Markt der Liebe vergessen. Bei aller romantischen Verklärung, hier geht es um ein hartes – und zuweilen emotionell grausames – Geschäft. „Männlichkeit wird vorausgesetzt“ – das ist für mich der zentrale Satz, der sich nach der Lektüre bei mir eingebrannt hat. Alles andere ergibt sich hieraus zwingend. Deswegen scheitern ABs. In Sprengers Ausführungen über die übergreifenden Merkmale der ABs konnte ich fast immer nur nicken, so oft habe ich mich darin wiedergefunden (ging mir übrigens genauso in Frau Roedenbecks Buch). Ich selbst halte das Problem weniger für eines der Sozialisation. Sicherlich, auch die spielt eine Rolle. Doch wo alle diese Merkmale zusammenkommen und eine ganze Gruppe klassifizieren, müssen die Gene die dominante Rolle spielen. Für mich hat das einen sehr tröstenden Aspekt. Damit bin ich aus der Schuldfrage raus. Ich bin halt so, was solls…?
Aber damit komme ich schon zu einem kleinen Einwand an seinen soziobiologischen Erklärungsansatz. Die ABs können also nicht punkten bei den Frauen, die anhand von Männlichkeitsmerkmalen die Versorgerqualitäten des potentiellen Partners bewerten. Wenn es danach geht, warum greifen Frauen dann so oft daneben? Gewiss, mein Klassenkamerad XY übertraf mich in Punkto Männlichkeit bei weiten. Er setzte auch frühzeitig mindestens zwei Blagen in die Welt. Aber um seine Versorgerqualitäten war es schon immer schlecht bestellt. Ein mieser Schüler, mehrere abgebrochene Ausbildungen, schlechte Jobs und zuletzt sogar obdachlos. Was hat der mir AB voraus, der ich immer berufstätig war, wenngleich ohne jede Ambitionen, aber verläßlich…? Abgesehen davon, daß der sich überhaupt auf dem Markt der Liebe präsentiert hat. Gewiss, das Beispiel ist weniger wissenschaftlich als anekdotisch, aber doch ernstzunehmen, oder…? Und ich kenne einige solche Vollpfosten.
Zum Schluß: es ist sehr nett, wenn Herr Sprenger in dem Interview den ABs den Rat „üben, üben, üben“ mit auf den Weg gibt. Doch nach der Lektüre seines Buches habe ich Zweifel, ob er das wirklich ernst meint. Die Probanden seiner AB-Gruppe hatten offenbar fast alle mal an Flirt-Seminaren teilgenommen. Offenbar mit durchschlagenden Erfolg, wie das Experiment bewiesen hat… Deswegen halte ich den Ansatz für besser, gerade bei älteren ABs, diese mit ihrer Situation auszusöhnen. Jenseits der 40 haben die ohnehin keine Chance mehr. Kein Sex im Leben ist eine Situation, mit der man vielleicht besser umgehen kann als wenn man blind ist. Nur mit dem Unterschied, der Blinde kann mit dem Verständnis der Gesellschaft rechnen. Der AB, wenn er sich outet, mit der ekligen Mixtur aus Mitleid und Verachtung.
Lieber L. Notaras, ich bedanke mich wirklich sehr, sehr herzlich für deine ausführliche persönliche Rezension der Studie von Herrn Sprenger hier in meinem Buch-Blog, aus der ich auch noch einige neue Denkansätze mitnehmen kann (also aus der Rezension, nicht nur aus der Studie)! Viele Grüße, Maja R.
Und wenn wir schon bei Buchempfehlungen sind: die perfekte Ergänzung zu Sprengers Studie ist das Buch „Wozu sind Männer eigentlich überhaupt noch gut?“ des amerikanischen Sozialpsychologen Roy Baumeister. Hat mir als AB schon von den ersten Seiten an ein paar außerordentliche Aha-Erlebnisse beschert.
Ich habe das Buch gelesen und ich empfand es in seiner letztendlichen Schlussfolgerung, dass AB-Mann unauflösslich an sein AB-Schicksal gekettet ist, dermaßen deprimierend, dass ich jeden AB nur empfehlen kann: Lass die Finger von diesem Buch!