Welche Flirt- und Verführungsratgeber für Absolute Beginners etwas taugen und welche nicht

Von vielen unerfahrenen Erwachsenen weiß ich, dass sie einen Flirt- und Verführungsratgeber nach dem anderen verschlingen, in der Hoffnung, dort Tipps zu finden, wie sie endlich ihr erstes Date oder ihre erste Beziehung anbahnen können. Und dass sie ständig das Gefühl haben, den besten Ratgeber noch nicht gefunden zu haben – nur deswegen klappt es mit dem Sex und der Liebe nicht! Auch werde ich oft gefragt, ob ich denn nicht einen Geheimtipp für DAS Buch habe, das wirklich hilft.

Einer der zahlreichen Flirtratgeber auf dem Markt: „Dating für Frauen“ von Viktoria Schwarzer (Independently Published, 2017; Amazon Affiliate Link)

Ich kann dazu Folgendes sagen: Erstens machen Flirt- und Verführungsratgeber alleine aus einem AB noch keinen Normalo. Die Mittel der Wahl, die wirklich Veränderungen anstoßen können, sind immer noch eine Psychotherapie und einige Sessions beim Erotikcoach/Sexologen. Weitere Ideen habe ich im Artikel: „Welche Tipps für ABs helfen wirklich?“ zusammengetragen. Das ist mal das Wichtigste vorab. Wer sich dessen nicht klar ist, sollte keine Bücher stapeln, denn er wird nur enttäuscht werden.

Zweitens: Bücher mit Titeln wie „Flirten für Dummies“, „Vom Nerd zum Flirt“ oder „Dating für Frauen“ (Amazon Affiliate Links) können natürlich durchaus die eine oder andere Idee für Gesprächsthemen oder die Kontaktaufnahme liefern und das Verständnis für das, was nonverbal zwischenmenschlich passiert, schärfen. Mit der richtigen Erwartungshaltung ist die Lektüre darum keine Zeitverschwendung, jedenfalls wenn das Kaufen von Flirt- und Verführungsratgebern nicht zur Sucht ausartet und man noch kein ganzes Regal davon zu Hause stehen hat. Die richtige Erwartungshaltung bedeutet, dass man nicht glaubt, danach „geheilt“ oder zum Psychologie-Experten geworden zu sein.

Doch es gibt drei Probleme, auf die ich hinweisen möchte.

Problem 1: Das Gedankenkarussell

Meiner Erfahrung nach sind Absolute Beginners häufig Menschen, die sehr viel nachdenken und analysieren, besonders Gespräche und zwischenmenschliche Kontakte und ihr eigenes Auftreten und Verhalten. So viel, dass sie sich in ihren Gedanken und Analysen manchmal sogar verfangen und sich nicht mehr auf ihr Gegenüber und die Situation konzentrieren können. Es ist, als säße während der Verabredung noch eine dritte Person mit am Tisch, die die ganze Zeit bewertet, was passiert.

Wenn Menschen mit diesen Eigenschaften nun viele Flirt- und Verführungsratgeber gelesen haben, dreht sich das Gedankenkarussell nur immer wilder anstatt endlich zum Stillstand zu kommen. Während sie vordergründig versuchen, ein Gespräch mit einer netten Frau oder einem netten Mann im ICE zu führen, überlegen sie im Hintergrund, was nochmal genau auf Seite 56 im Ratgeber stand: Nach wie vielen Minuten ist es sinnvoll, mal kurz die Hand auf den Arm oder das Bein des Gesprächspartners oder der Gesprächspartnerin zu legen, um mehr Nähe zu erzeugen? Wenn ihnen im Eifer des Gefechts eine Bemerkung rausgerutscht ist, die man laut Ratgeber besser nicht fallen lassen sollte, dann schimpfen sie sich im Stillen selbst aus und gehen die negativen Konsequenzen durch, die im Buch beschrieben wurden. Doch wie soll es in einem solchen egozentrierten Gedankenwust gelingen, sich auf ein Gegenüber einzulassen?

Ein guter Flirt passiert genau dann, wenn man sich selbst in den Hintergrund stellt. Wenn man die komplette Aufmerksamkeit auf die Frau oder den Mann richtet, für die oder den man sich interessiert. Wenn man wahrnimmt, in welchem Takt sie blinzelt, ob er tief in den Bauch atmet oder oberflächlich in den Brustkorb, ob sie mit den Händen gestikuliert oder angestrengt den Daumen knetet, wie oft er sich am Bart kratzt und ob das sexy oder nervig wirkt. Ein guter Flirt ist, wenn man eben gerade nicht nachdenkt, sondern völlig unvoreingenommen Luft holt und auspustet, lächelt, sich im Jetzt wohlfühlt, das Gestern und Morgen vergisst. Das Problem mit Flirt- und Verführungsratgebern ist also, dass sie dazu beitragen, noch mehr über sich selbst und sein eigenes Verhalten zu philosophieren und dadurch noch verkrampfter zu werden, während die wichtigste Kompetenz für eine gelungene Kontaktaufnahme eigentlich das genaue Gegenteil ist: locker zu sein.

Problem 2: Den Ratgeber mit dem richtigen Ansatz auswählen

Viele Flirt- und Verführungsratgeber haben auf den ersten Blick hunderte super Bewertungen. Aber es hilft immer auch, sich die paar negativen Bewertungen anzuschauen. Daran zeigt sich, woran sie häufig kranken: An einem unpassenden Ansatz.

Beispiel für einen Flirtratgeber, der für den amerikanischen Markt geschrieben wurde (Wiley-VCH Verlag, 2917; Amazon Affiliate Link)

Manche Ratgeber sind Originaltitel aus Amerika, die für den deutschen Markt nur übersetzt wurden – aber in Deutschland funktioniert flirten einfach anders. Beispiel: „Flirten für Dummies“ von Elizabeth Clark (Wiley-VCH Verlag, 2014; Amazon Affiliate Link). Bei uns ist die Liebe noch nicht ganz so sehr zum Konsumprodukt geworden und es spielt weniger eine Rolle, wie groß der Blumenstrauß oder wie teuer das Restaurant beim ersten Date ist. „Das Buch ist sehr schlecht aus dem Englischen übersetzt worden. Dadurch wirken die Geschichten noch unglaubwürdiger und zum Augenrollen plump“, schreibt Userin Stefanie. „Typisches Beispiel für das Niveau der Tipps: Janet trug beim Ausgehen meistens Hosen und als sie sich dann Kleider, die ihre hübsche Figur zur Geltung brachten, kaufte, hatte sie auf einmal viele Männer, die ihr Komplimente machten. *Brech*“

 

 

Beispiel für einen fragwürdigen Bestseller: „Der Verführungscode: So kannst du jede kriegen“ (Piper Verlag, 2014; Amazon Affiliate Link)

Einen Fehler, den man beim Online-Shopping häufig macht: Unüberlegt die Bestseller kaufen. Ob Waschmaschine oder Flirtratgeber: Der Mensch ist ein Herdentier und denkt: Was 254 andere Menschen gekauft und bewertet haben, kann ja so schlecht nicht sein. So landet dann aber ein Titel wie „Der Verführungscode: So kannst du jede kriegen“ (Piper Verlag, 2014; Amazon Affiliate Link) im Bücherregal. Das Problem steht ja schon im Untertitel: So kannst du jede kriegen? Ja geht es dir denn wirklich darum? Jede zu kriegen? „Dieses Buch ist nichts für Menschen, die sich nicht in ein überhebliches, tricksendes und täuschendes sowie nur auf den schnellen Sex versessenes Männermonster verwandeln wollen“, schreibt User Naturalist. Und noch stutziger sollte es machen, wenn eine Frau, also ein Wesen, das mit den Tricks aus diesem Buch verführt werden soll,  schreibt: „Diese Stories beschreiben seine Wandlung vom Couchpotato zur oberflächlichen männlichen Hure, wodurch er seines Erachtens nach in der oberen Liga der Schöpfung angekommen ist. Mit seinen neu erlangten, grandiosen Fähigkeiten könne er nun eine billige Tussi nach der anderen flachlegen. Liebe Mädels, klingt das nicht nach einem Traum von einem Mann?“ Wenn man also nicht möchte, dass Frauen so über einen lästern, sollte man besser die Finger von einem solchen Werk lassen.

Beispiel für einen niveauvollen Ratgeber: „Flirten mit Stil“ von Nandine Meyden (humboldt/Schluetersche Verlag, 2012; Amazon Affiliate Link)

Inzwischen haben erste Verlage erkannt, dass es eine Klientel für niveauvolle Flirt- und Verführungsratgeber gibt, die mit „Pick up“ und „Eroberung“ nichts am Hut hat und der es auch nicht um Statussymbole und Äußeres geht, sondern um die zwischenmenschliche Kommunikation. Der Unterschied zwischen einem Titel wie „Die perfekte Masche: Bekenntnisse eines Aufreißers“ und „Flirten mit Stil“ (Amazon Affiliate Links) ist ungefähr derselbe wie der zwischen Elitepartner und Tinder. Dementsprechend intellektuell lesen sich dann auch die Rezensionen: „Selbst-Tests, z.B. der Fähigkeit des Lesers zur Interpretation von Blicksignalen, sind ebenso enthalten wie die kritische Einschätzung der auf einschlägigen Internetseiten und in Flirtseminaren gebotenen Deutungslisten zur erotischen Körpersprache“, schreibt User Mathey. Allerdings sind wir bei „Flirten mit Stil“ wieder bei Problem 1 angelangt: Je mehr ich beim Flirten über Psychologie und Kommunikationswissenschaft nachdenke, desto unlockerer werde ich. Nicht einfach. Man dreht sich im Kreis. Und um es noch komplizierter zu machen, kommt jetzt noch folgende Frage hinzu:

Was, wenn das eigentliche Problem gar nicht beim richtigen Flirten liegt?

Indirekter Flirtratgeber: „Jein! Bindungsängste erkennen und bewältigen“ von Stefanie Stahl (Ellert & Richter Verlag, 2015; Amazon Affiliate Link)

Oft glauben Absolute Beginners, ihr Hauptproblem sei ihre Schüchternheit. Sie wüssten nicht, wie man Smalltalk macht, sie fühlten sich in Menschenmengen z.B. auf Partys nicht wohl und darum hätten sie keine Beziehung und keinen Sex. Aus dieser Sichtweise heraus wäre ein Flirt- und Verführungsratgeber die richtige Buch-Wahl. Die Psychologin Stefanie Stahl, die ich hier im Blog auch schon vorgestellt habe, hält das aber für zu kurz gedacht. Ihrer Meinung nach kann es sein und ist sogar häufig der Fall, dass ein Mensch gleichzeitig eine ganz starke Sehnsucht nach einer Partnerschaft verspürt UND aus unterschiedlichsten Gründen ganz furchtbare Beziehungsangst hat, sodass er unbewusst jede Situation abblockt, in der Nähe entstehen könnte. Er WILL dann gar nicht smalltalken und flirten können, denn das könnte ja erschreckenderweise irgendwann zum Erfolg führen! Dieser Gedanke mag vielleicht auf den ersten Blick abwegig erscheinen, doch Stefanie Stahl hat viel Erfahrung mit Betroffenen von Beziehungsangst, unter denen auch viele Absolute Beginners sind. Sie befürchten, vom Partner verletzt zu werden, sie haben ungesunde Beziehungen erlebt (z.B. ewig streitende Eltern, die sich schließlich scheiden ließen) und glauben nicht so recht daran, dass eine Beziehung funktionieren kann. Sich das einzugestehen, setzt oft auch eine Psychotherapie voraus. Aber wenn es einmal soweit ist, ist ganz klar: Wenn du zu dieser Gruppe gehörst, hilft dir kein Flirtratgeber, denn du wirst die Tipps daraus niemals anwenden. Dir hilft eher das Buch oder das gleichnamige Seminar „Jein! Bindungsängste erkennen und bewältigen“ (Ellert & Richter Verlag, 2015; Amazon Affiliate Link) oder ein ähnlicher Ratgeber.

Und nun meine Frage an euch

Aus welchen Flirt- und Verführungsratgebern habt ihr als Absolute Beginners wirklich etwas gelernt, das euch schon einmal in einer konkreten Situation geholfen hat? Und was genau war das? Welche Bücher habt ihr im Regal stehen? Und wie viele sind es? Oder habt ihr für euch erkannt, dass die Ratgeber alle nichts nutzen und ihr habt sie bei Momox gleich wieder verkauft? Hinterlasst eure Tipps gerne in den Kommentaren. Wenn ihr Lust habt, schreibt eine richtige kleine Rezension – die würde ich dann in einem weiteren Artikel sammeln. Vielleicht kriegen wir eine richtige Prioritätenliste zusammen mit einem Toptitel, den die meisten von euch empfehlen, und weiteren Titeln, die in der Community nicht ganz so bekannt sind. Ich bin gespannt.